Bäckerei Schmidt Karlsruhe Außenansicht

Azubi-Notstand im Handwerk – eine Reportage von Maximilian Fritz

Diese Woche haben wir einen schönen Bericht erhalten, den wir nicht vorenthalten möchten.

Maximilian Fritz hat eine Reportage zum Thema “Azubi-Notstand im Handwerk” geschrieben und dabei unserer Philosophie wunderbar Ausdruck verliehen.

Mit freundlicher Genehmigung – hier die Reportage:

 

„Handwerk lohnt sich“

Azubi-Notstand im Handwerk – Eine Bäckerei in Karlsruhe geht neue Wege

Seit Jahren befindet sich das Handwerk in einer Krise. Dass sich das Bäckereihandwerk in Zukunft noch lohnen kann, beweisen zwei Bäcker aus Karlsruhe. Thomas und Tina Schmidt kämpfen um die Zukunft ihrer Zunft.

Eine Reportage von Maximilian Fritz

Diese Bäckerei ist anders. In einer Seitenstraße in der Karlsruher Innenstadt kämpfen Tina und Thomas um ihr Handwerk. Die Glastüren zur warmen Verkaufstube öffnen sich automatisch. Freundlich warmes Licht durchflutet den Laden. Zur linken Seite nimmt Tina Schmidt Wünsche der Kunden entgegen. Vor ihr türmen sich Kirschtaschen, Zupfkuchen, Butterbrezeln und Laugenstangen. Gegenüber ihrer Theke befindet sich die Backstube. Der Duft von frischgebackenen Brötchen erfüllt den Raum. Blechklappern und Ofenpiepsen ist zu hören. Ein Bäcker holt eilig frisch gebackene Brötchen aus dem Ofen. Die kleine Verkaufsfläche füllt sich. Kunden stehen Schlange und Tüten rascheln. Hier ist das Reich von Thomas und Tina Schmidt. Seit zwei Jahren backen und verkaufen sie frische Backwaren auf nur 50 Quadratmetern. Auch gemeinsam mit besonderen Mitarbeitern. Nun hoffen sie aber auch auf junge Talente.

 

 

 

Während die Kunden einkaufen, spricht Herr Schmidt über seine Ursprungsidee: „Einer von vielen können wir nicht mehr werden“, das war ihm klar. Ihm ist es deshalb wichtig neue Wege zu gehen. Sie setzen auf Qualität. „Wir backen alles selbst“, erklärt Tina, als sie sich zu ihrem Mann stellt. Damit haben beide einen wichtigen Trend erkannt. Viele kleine Bäckereien mussten in den letzten Jahren schließen. Laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckereihandwerkes nimmt die Zahl der Bäckereibetriebe seit sieben Jahren stetig ab.

In ihrer kleinen Bäckerei sollen die Kunden die Qualität sehen. Deshalb trennt nur eine Glasscheibe Backstube und Verkaufsraum. Die Kunden können den Bäckern beim Brötchenteig kneten, frische Brezeln aus dem Ofen nehmen oder Teig ausrollen, zuschauen. Herr Schmidt nennt das „die gläserne Bäckerei“. Doch reichen Qualität und Transparenz aus, um junge Menschen von der Ausbildung zum Bäcker zu überzeugen?

 

 

Auch darüber haben Tina und Thomas nachgedacht. Sie beschlossen ihren Beruf attraktiver zu gestalten, durch den Verzicht auf Nachtarbeit. Zusätzlich zahlen sie über Tarif. Das kommt an. Viele der 16 Mitarbeiter haben sich bewusst für die Bäckerei Schmidt entschieden. Wie Harald zum Beispiel. Während er den Teig in eine Kuchenform hebt, erzählt er, dass er zufällig erfuhr, dass die Schmidts einen Konditor suchen. Da habe er sich angeboten. Und das obwohl er schon mit seinen 60 Jahren in Rente sei, bemerkt Harald mit einem zufriedenen Lächeln.

Doch entgegen aller Bemühungen bleiben Auszubildende aus. Auf die Frage, warum sie keine Menschen mit Behinderung als Azubis haben, gerät Thomas Schmidt ein bisschen ins Stocken. Das Problem sei, so führt er aus, dass diese meistens leider keinen Schulabschluss hätten. Somit könnten sie keine Ausbildung bei ihm anfangen. Vielmehr würden sie sie nur anlernen, damit sie im Betrieb mithelfen können, entgegnet Schmidt. Den Kampf für das Bäckereihandwerk erleichtert das nicht. Sie geben dennoch nicht auf. Schließlich ließen sich gute Mitarbeiter mit ihrem Konzept gewinnen, bemerken beide mit Stolz.

 

Seit 2010 hat sich die Anzahl der Bäckerei-Azubis in Deutschland halbiert. Herr Schmidt macht dafür das schlechte Image seines Berufes verantwortlich. „Jeder möchte studieren. Dabei kann man damit [dem Bäckerberuf] gut verdienen.“ Und fügt hinzu: „Ich kann nicht mehr tun, als gläsern zu sein. Und eben auch darüber zu reden, dass bei mir die Arbeitszeiten anders sind.“ Die Zahl der Kunden hat sich seit der Eröffnung verdreifacht. Das lässt ihn hoffen. Auch, dass sein Handwerk nicht ausstirbt. Seine Hoffnung: Das eines Tages sich die Glastür öffnet und ein junger Mensch sagt: „Mensch, so einen Laden möchte ich auch haben“ – und nach einem Ausbildungsplatz fragt.